Hat Luxemburg eine koloniale Vergangenheit? Viele Luxemburger und Luxemburgerinnen würden sicherlich mit einem klaren Nein antworten, denn der luxemburgische Staat war nie eine Kolonialmacht. Aber ist es wirklich so einfach? Das Nationalmuseum für Geschichte und Kunst (MNHA) geht der Frage nach.
- Eintritt (Erwachsene) 7€
Obwohl das Großherzogtum Luxemburg nie politische Autorität über ein auswärtiges Territorium oder eine der dort ansässigen Bevölkerungsgruppen ausübte, verließen während des 19. und 20. Jahrhunderts zahlreiche Luxemburger Männer und Frauen das Großherzogtum, um in den Kolonien anderer europäischer Staaten zu leben und zu arbeiten. Dabei hatten sie alle denkbaren Funktionen inne. Sie waren als Soldaten, Wissenschaftler, Geschäftsleute, Missionare und Missionarinnen, sogar als Kolonialbeamte tätig. In Luxemburg wurde auch aktiv für den Kolonialdienst in Belgisch-Kongo geworben.
Das Kolonialsystem basierte auf dem Prinzip der Ungleichheit zwischen den Kolonisten und den Kolonisierten. Der Glaube der Kolonialherren an die eigene Höherwertigkeit wurde durch pseudowissenschaftliche Rassentheorien gerechtfertigt. Sie dienten als Legitimation, außereuropäische Gebiete in Besitz zu nehmen und die einheimische Bevölkerung zu kontrollieren. Auch in der Luxemburger Gesellschaft war die Ideologie des Kolonialismus verankert und prägte Politik, Wirtschaft und Kultur von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis in die 1960er Jahre.
Die wertende Rassenideologie, die lange Zeit dominierte, entbehrt aus heutiger Sicht jeder wissenschaftlichen Grundlage. Die Haltung der Gesellschaft hat sich ebenfalls gewandelt. Die Black Lives Matter-Bewegung zeigt jedoch, dass rassistisches Denken überall auf der Welt, aber auch im Großherzogtum bis heute nachwirkt.
Die neue Sonderausstellung des MNHA gibt vom 8. April bis 6. November 2022 einen Überblick über die wenig bekannte koloniale Vergangenheit Luxemburgs. Die Beteiligung luxemburgischer Soldaten und Söldner an der Eroberung der Kolonien und die wissenschaftliche Erforschung außereuropäischer Gebiete unter Mitwirkung luxemburgischer Gelehrter werden genauso thematisiert wie die wirtschaftlichen Interessen Luxemburger Firmen. Die wirtschaftliche Ausbeutung der Kolonie Belgisch-Kongo und die grausame Unterdrückung ihrer Bevölkerung unter der Herrschaft des belgischen Königs Leopold II. (1885-1908) sind als Kongogräuel in die Geschichte eingegangen. Hierbei, aber auch im Rahmen ihrer Tätigkeiten beim Bau von Infrastrukturen sowie im Gesundheits- und Schulwesen waren zahlreiche Luxemburger und Luxemburgerinnen Teil dieses Kolonialsystems. Mit der belgisch-luxemburgischen Wirtschaftsunion im Jahr 1922 wurden zudem luxemburgische Staatsangehörige hinsichtlich des kolonialen Staatsdienstes in Belgisch-Kongo den belgischen Staatsbürgern gleichgestellt. So kam es, dass, kurz bevor die heutige Demokratische Republik Kongo im Jahr 1960 ihre Unabhängigkeit erlangte, fast 600 Luxemburger und Luxemburgerinnen in dieser Kolonie lebten.
Die Ausstellung macht der Öffentlichkeit Zeugnisse aus privaten und institutionellen Sammlungen in Form von Objekten, Kunstwerken und Fotos, Werbebroschüren und Presseartikeln zugänglich. Durch die Erinnerung an geschichtliche Fakten und die Präsentation zahlreicher Lebensläufe Luxemburger Akteure während der Kolonialzeit zeigt das MNHA die Komplexität der kolonialen Beziehungen auf. Darüber hinaus gibt das Museum neun Menschen von heute das Wort, deren Leben eng mit Luxemburg verbunden und durch die koloniale Vergangenheit geprägt sind. Denn auch wenn die Kolonialzeit im engeren Sinn seit mehr als sechzig Jahren abgeschlossen ist, erleben viele Mitbürger und Mitbürgerinnen noch immer deren Auswirkungen in ihrem Alltag. Die Sonderausstellung macht deutlich, dass auch Luxemburg eine koloniale Vergangenheit hat.
„Luxemburgs koloniale Vergangenheit“ – Sonderausstellung im MNHA, Marché-aux-Poissons, 2345 Luxemburg, vom 08.04. bis zum 06.11.2022. Eröffnung am 07. April 2022 um 18 Uhr.