Inspiriert von den berühmten Interviews des Künstlers ist die Performance Francis Bacon talks to Francis Bacon ein fiktiver Monolog über Exzess, Angst, Glauben, Tod und Schönheit.

Francis Bacon revolutionierte die Malerei im 20. Jahrhundert. Mit Three Studies for Portrait of George Dyer im Nationalmusée um Fëschmaart wird ein Triptychon des in Irland geborenen britischen Künstlers nun erstmals der breiten Öffentlichkeit in Luxemburg gezeigt.

Dies war die Gelegenheit, sich auf andere Kunstformen einzulassen und neue Dialoge zwischen dem Maler, zeitgenössischen Künstlern und dem Publikum zu ermöglichen. Inspiriert von seinen berühmten Interviews, ist die Performance Francis Bacon talks to Francis Bacon ein fiktiver Monolog über Exzess, Angst, Glaube, Tod und Schönheit.

Konzipiert vom luxemburgischen Regisseur Thierry Mousset, wird der Schauspieler Kristof van Boven den Besuchern während der Nuit des Musées einen faszinierenden Einblick in den Hintergrund und die intellektuelle Welt von Bacons einzigartigem künstlerischem Schaffen gewähren.

Die Aufführung findet am Samstag, den 12. Oktober 2024 um 18:30, 20:30, 22:30 und 23:30 statt.

Interview mit Thierry Mousset

Mathieu Delaveau: Die Tatsache, dass das Triptychon Three Studies for Portrait of George Dyer von Francis Bacon im Nationalmusée ausgestellt wird, ist ein wichtiges Ereignis in Luxemburg. Was berührt Sie an Bacons Werk?

Thierry Mousset: Bacons Porträts haben mich schon immer fasziniert. Sie führen uns unser Inneres vor Augen, sie offenbaren uns unsere Verletzlichkeit, unsere Narben, unsere wunden Punkte – auf eine sehr eindringliche und direkte Art und Weise. Man könnte sagen, sie wirken ein bisschen wie ein Spiegel.

MD: Das Gemälde mit einem Spiegel zu vergleichen, ist interessant, weil Sie dadurch auf die Bedeutung der Beziehung zwischen Werk und Betrachter hinweisen. Wie hat diese intime Beziehung, die im Übrigen im Einklang mit Bacons Verständnis seiner künstlerischen Intention steht, die Konzeption Ihrer Performance Francis Bacon talks to Francis Bacon beeinflusst?

TM: Vielleicht ist es Bacons Augenmerk auf seine eigenen Emotionen gegenüber den Menschen, die ihm am Herzen liegen, das es ihm ermöglicht, über die bloße illustrative Darstellung hinauszugehen und den Betrachter zu berühren. In unserer Performance versuchen wir ebenfalls, die Bedingungen für eine emotionale Beziehung zwischen dem Werk und dem Zuschauer zu schaffen – durch eine intime Nähe zum Publikum in einem kleinen Raum, in dem ein unmittelbarer Kontakt mit dem Schauspieler besteht.

MD: Ich finde es interessant, dass die Performance Bacons Triptychon nicht direkt thematisiert. Doch gerade diese Tatsache erlaubt uns, unseren Blick darauf zu richten.

TM: Ich wollte aus der Aufführung nicht einfach eine Führung machen. Kinder zum Beispiel reagieren oft sensibel auf das, was sie sehen. Sie malen, um auszudrücken, was sie empfinden. Und so haben wir uns die Freiheit genommen, auf Kunst mit Kunst zu reagieren, ohne mit dem Künstler zu konkurrieren. Kristof van Boven, der das Stück aufführt, stellte mir bei unseren ersten Gesprächen die Frage: Wie kann ich neben diesem Bild existieren, ohne erdrückt zu werden? Mein Interesse besteht darin, diese Balance zu finden. Ich bin dem Museum sehr dankbar, dass es uns die Möglichkeit gibt, in einen künstlerischen Dialog zu treten. So wird die Museumsnacht zu einem Ort des Austauschs und der Kreativität.

MD: Wie kam es zu der Idee, Bacons Stimme zum Leben zu erwecken?

TM: Ich behaupte nicht, ein Experte für Bacon zu sein. Es gibt viele Menschen, die besser über ihn informiert sind als ich. Ich wollte jedoch von den Worten des Malers ausgehen und sie mit meinen eigenen Empfindungen verknüpfen. Ich habe Auszüge aus Interviews gesammelt und überarbeitet, in denen es um Themen ging, die mir am Herzen liegen – Tod, Kunst, Glaube, Sinnlosigkeit. Die Performance sollte auf keinen Fall eine biografische Darstellung des Künstlers werden; seine Worte werden von einem Schauspieler gesprochen, der eindeutig nicht Bacon selbst ist. Diese Diskrepanz hat mich fasziniert und es mir ermöglicht, eine Distanz zu Bacons Worten zu schaffen – und sie dadurch zu hinterfragen. Die gesprochenen Worte erweitern unseren Blick auf das Triptychon, da sie sich nicht auf die biografische Dimension der Beziehung zu George Dyer beschränken, sondern die fundamentalen Aspekte unserer Existenz wie Gewalt, Verlangen und Angst, ansprechen.

MD: Bacon scheint darauf bedacht zu sein, dem Betrachter nicht die Bedeutung seiner Bilder aufzuzwingen. „In dem Moment, in dem die Geschichte näher ausgeführt wird, stellt sich Langeweile ein; die Geschichte übertönt die Farbe“, sagte er. War das auch eine Herausforderung für Ihre Performance?

TM: Ja, diese Aussage verdeutlicht die Herausforderung, Gefühle und Ideen auszudrücken, ohne dass die Erzählung dominiert. Das ist in der Tat ein künstlerisches Problem. Die Entscheidung für eine Performance ist die Antwort auf diese Problematik. Dadurch wird ein Raum für Zufälle geschaffen, ein Ort, an dem das Unerwartete entstehen kann.

MD: Zu Beginn Ihrer Performance scheint Bacon von dem, was er malt, überrascht zu sein. Dann wird sein Ton deutlich selbstsicherer. Bacon richtet sich an ein universelles „you“. Wie sehen Sie diese Entwicklung in Ihrer Performance?

TM: Am Anfang gibt es diesen Moment des Zweifels, der Suche, und schließlich gelingt es ihm, tiefere Überzeugungen auszudrücken, von denen er sich vielleicht durch die Dynamik seiner eigenen Worte zu überzeugen versucht. Dieses „you“ spricht das Publikum konkret an, es stellt eine direkte Verbindung her. Bacon tritt selbstsicher auf, aber er sucht auch – gemeinsam mit uns! In der Performance versuchen wir, dieses Hin und Her zwischen Suche und Bestätigung zu veranschaulichen.

MD: Besonders berührt hat mich seine absolut ehrlich gemeinte Aussage: „Die Menschen um mich herum starben wie Fliegen und ich hatte niemanden mehr, den ich malen konnte, außer mir selbst“. Man meint fast, das Summen dieser Fliegen zu hören, wenn man das deformierte Gesicht auf Bacons Triptychon betrachtet, das er allerdings schon zu Beginn seiner Beziehung zu seinem Geliebten malte...

TM: Ja, das ist richtig. Und gleichzeitig liebte Bacon das Leben. Er war ein sehr fröhlicher Charakter und immer für Überraschungen gut. In unserer Performance wollen wir diesem Facettenreichtum und den überraschenden Widersprüchen, die unser Leben prägen, Ausdruck verleihen.

Mathieu Delaveau ist ein französischer Schriftsteller, Dramaturg und Lehrer. Er ist Absolvent der Ecole Normale Supérieure und der Universität Cambridge, hat eine Lehrbefugnis in moderner Literatur und lebt in Paris.

Über Thierry Mousset

Thierry Mousset (geb. 1992) ist ein Regisseur und bildender Künstler aus Luxemburg. Nach einem Studium der europäischen Literatur an der Universität Cambridge und Film in Berkeley inszenierte er Süden von Julien Green am Grand Théâtre in Luxemburg, das daraufhin an das Deutsche Theater in Berlin, das Kurtheater Baden in der Schweiz und das Theater St. Pölten in Österreich eingeladen wurde.

Gemeinsam mit Thorsten Lensing adaptierte Mousset den Roman Infinite Jest von David Foster Wallace an der Volksbühne Berlin. Er war Dramaturg bei den Salzburger Festspielen für Verrückt Nach Trost, das von der New York Times als eines der zehn besten Stücke des Jahres 2022 ausgewählt wurde.

Derzeit stellt er seinen zweiten Kurzfilm mit Ursina Lardi, Eugénie Anselin und Sam Louwyck fertig und erhielt ein Schreibstipendium vom Luxembourg Film Fund für seinen ersten narrativen Spielfilm. Mousset, ehemaliger Fulbright-Stipendiat, war für den Theaterpreis in Luxemburg nominiert und arbeitet derzeit zwischen Berlin und Luxemburg.

Über Kristof van Boven

Kristof van Boven wurde 1981 in Lier, Belgien, geboren. Nach Abschluss seiner Schauspielausbildung an der Kunstakademie in Arnheim arbeitete er zunächst als freischaffender Schauspieler in der niederländischen Off-Theaterszene, während er seine eigenen Stücke mit Linda Olthof entwickelte und mit Kompanien wie dem Toneelgroep Amsterdam und dem Noord Nederlands Toneel auftrat.

2004 wurde er Mitglied des Ensembles am NT Gent und arbeitete mit Regisseuren wie Johan Simons und Peter Verhelst zusammen. Von 2010/11 bis 2015 war er Teil des Ensembles der Münchner Kammerspiele, wo er erneut mit Johan Simons sowie mit der Choreographin Meg Stuart, den Regisseuren Luk Perceval, René Pollesch, Sebastian Nübling und Tian Gebing arbeitete.

Seine Rolle in Johan Simons' Inszenierung von Winterreise brachte Kristof van Boven 2011 die Auszeichnung „Nachwuchsschauspieler des Jahres“, verliehen vom Magazin Theater heute. Darüber hinaus erhielt er 2012 den Kunstpreis der Akademie der Künste in Berlin in der Kategorie Darstellende Kunst, und 2013 wurde ihm der Gordana-Kosanovic-Preis für Schauspiel vom Theater Mülheim an der Ruhr verliehen.